(Sexualisierte) Gewalt ist ein Thema, das betrifft. Und das betroffen macht. Daher stand der November 2025 an der Max-Eyth-Schule (MES) unter dem Motto „Schule gegen (sexualisierte) Gewalt!“ „Ziel ist und war es, gemeinsam mit unseren Schülerinnen und Schülern über dieses wichtige Thema ins Gespräch zu kommen, Bewusstsein zu schaffen und Wege des Schutzes und der Unterstützung für Betroffene aufzuzeigen und zu gehen“, sagt Vanessa Zofcin-Eichhorn, stellvertretende Schulleiterin der MES.
Doch was bedeutet sexualisierte Gewalt eigentlich?
Unter sexualisierter Gewalt verstehen wir jede Form von Übergriffen, die auf sexuelle Handlungen oder Motive abzielen. Diese ist auch nicht auf körperliche Übergriffe beschränkt und ist darauf ausgerichtet, Macht und Autorität zu missbrauchen. Sie kann in Beziehungen, in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule oder am Arbeitsplatz stattfinden und wirkt auf die physische, psychische und emotionale Gesundheit der Betroffenen aus.
Die SPEAK-Studie, eine beteiligungsorientierte Forschungsstudie, die sich mit dem Thema sexueller Gewalt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Schulen und Berufsschulen auseinandersetzte und diese wissenschaftlich begleitete, zeigt, dass besonders Jugendliche an beruflichen Schulen häufig betroffen sind – etwa jede dritte Schülerin und jeder siebte Schüler hat bereits Erfahrungen mit sexueller Belästigung oder Gewalt gemacht. Zudem wird in Deutschland alle zwei bis drei Tage eine Frau durch ihren (Ex-)Partner getötet – ein sogenannter Femizid. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig Aufklärung, Prävention und Haltung im Hinblick auf dieses Thema sind.
Wie auch beim letzten Durchlauf der Themenwochen an der MES im Jahr 2023, gab es in diesem Jahr vielfältige und sehr interessante Angebote für die gesamte Schulgemeinde. Diese Angebote, die neben der unterrichtlichen Auseinandersetzung, Räume schaffen sollten, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, verteilten sich auf den gesamten Monat November.
Interaktives Forum-Theater „Ich gebe dir mein Ehrenwort“
Ein besonderes Highlight während der Themenwochen an der MES war die Veranstaltung „Ich gebe dir mein Ehrenwort!“, der Theatergruppe „Mensch: Theater! – das Expertenteam für Forumtheater, Prävention und Persönlichkeitsentwicklung“ am 11. November 2025 in der Aula des Hauses des Lebenslangen Lernens.
Es handelte sich hierbei um ein deutschlandweit und darüber hinaus agierendes Tourneetheater, das führend ist in der Bearbeitung aktueller politischer Themen. Das interaktive Forumtheater arbeitet direkt mit den Lernenden auf der Bühne. Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden eingeladen, aktiv in die Handlung einzugreifen.
An die Aufführungen schlossen thematisch speziell zugeschnittene Workshop-Programme an, in denen die Lernenden das Gesehene weiter aufarbeiteten, kontrovers diskutierten und so einen nachhaltigen Erkenntnisgewinn erleben konnten.
Aufgeführt wurde das Stück „Ich gebe dir mein Ehrenwort“. Das Stück schließt an eine 7-jährige Zusammenarbeit mit TERRES DES FEMMES an und handelt von Konflikten, unter denen besonders Jugendliche aus patriarchalisch geprägten Familien leiden: Kontrolle durch Familienmitglieder, Isolierung von den MitschülerInnen, Verbot von Liebesbeziehungen, Ächtung von Homosexualität, Jungfräulichkeit.
Die Story: Junis und Alia sind in Deutschland geboren. Der Vater stammt aus der Türkei, die Mutter aus Syrien. Sie leben seit ihrer Kindheit in einer Kleinstadt nähe Stuttgart. Junis und Alia haben ein sehr vertrautes Geschwisterverhältnis. Sie erzählen sich fast alles und verleben gerne ihre Freizeit zusammen.
Junis und Alia haben ihren Klassen ein super Standing. Alia tanzt gerne auf Partys, liebt Instagram und möchte Fotografin werden. Junis spielt gerne Fußball und liebt es Raptexte zu schreiben. Seit die beiden in der Pubertät sind hat sich der Ton von Seiten der Eltern stark verändert. Alia und Junis sollen sich an die kulturellen und religiösen Werte der elterlichen Herkunftsländer anpassen. Dies führt zu immer mehr Spannungen.
„Die Schülerinnen und Schüler waren nachhaltig bewegt von dieser Veranstaltung. Vor allem die anschließenden Nachbereitungsworkshops verliefen sehr intensiv und vertrauensvoll. Es wurde reflektiert, welcher Teil des Stücks besonders in Erinnerung geblieben ist und warum. Und einige Beteiligte wurden sehr emotional, schließlich ging es um persönliche Einstellungen zu Themen wie Homosexualität, Gleichberechtigung und Suizid“, resümiert Schulsozialarbeiterin Nicole Schüler.
Themengebundene Kreativprojekte mit und im JuZ Dreieich
Die Schülerinnen und Schüler der Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung BVJ und BOJ+ der MES besuchten am 10. und 11. November mit Schulsozialarbeiterin Susanne Haack das Jugendzentrum Sprendlingen (JuZ) und konnten die Räumlichkeiten dort kennenlernen. In diesem geschützten Rahmen fand mit der Schulsozialarbeit ein Workshop zum Thema sexualisierte Gewalt statt – mit wichtigen Gesprächen, Austausch und vielen stärkenden Impulsen.
Zum Abschluss gestalteten die Jugendlichen Mut-Mach-Steine, die aufmerksam machen und Mut geben, hinzuschauen und Grenzen zu achten. Diese werden in Dreieich Sprendlingen verteilt …vielleicht findet Sie ja einen und nehmt ihn mit!
Leseprojekt „Chatroom-Falle“
Weiterhin führte die Schulsozialarbeit der MES im Rahmen der Präventionswochen zum Thema sexualisierte Gewalt das Leseprojekt „Chatroom-Falle“ in den BVJ- und BOJ-Klassen durch. Das Buch erzählt die Geschichte zweier Mädchen, die in einem Chatroom neue Kontakte knüpfen und dadurch in eine gefährliche Situation geraten.
Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern wurden Themen wie Online-Sicherheit, Vertrauen, Manipulation und Schutz vor sexualisierter Gewalt besprochen. Ein wichtiger Schwerpunkt lag darauf, zu erkennen, wie man sich im Internet schützen kann und an wen man sich wenden kann, wenn man sich unsicher oder bedroht fühlt.
Workshop „Typisch Mann-Typisch Frau – Klischees im Fokus“
Ein Workshop mit dem Titel „Typisch Mann-Typisch Frau – Klischees im Fokus“ fand am 12. und am 17. November 2025 in zwei Klassen des Beruflichen Gymnasiums und in einer Berufsfachschulklasse statt. Schulsozialarbeiterin Nicole Schüler leitete dabei gemeinsam mit dem Schulseelsorger Matthias Stock den interaktiven Workshop in mehreren Klassen.
Im Mittelpunkt stand die Auseinandersetzung mit Rollenbildern, Respekt und Gleichberechtigung. Nach einem bewegungsorientierten Einstieg diskutierten die Schülerinnen und Schüler über Aussagen wie „Es ist heutzutage schwierig, ein Mann zu sein“ oder „Gewalt ist männlich“. Anschließend erarbeiteten Mädchen und Jungen getrennt ihre Vorstellungen von „typisch weiblich“ und „typisch männlich“, stellten die Ergebnisse gegenseitig vor und kamen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ins Gespräch.
In der Abschlussrunde reflektierten die Teilnehmenden, was sie überrascht, bewegt oder nachdenklich gemacht hat. Der Workshop sensibilisierte für den respektvollen Umgang miteinander und zeigte, wie wichtig es ist, starre Rollenbilder zu hinterfragen.
Workshops zum Thema „sexualisierte Gewalt“ mit der Anlaufstelle der Eintracht Frankfurt
Zu einem weiteren Workshop im Rahmen der Themenwochen besuchte die Anlaufstelle der Eintracht Frankfurt am 7. und am 28. November 2025 die Max-Eyth-Schule, um mit den Schülerinnen und Schülern der Fachoberschule und des Beruflichen Gymnasiums über sexualisierte Gewalt zu sprechen.
In ihrer Präsentation erklärte die Referentin anschaulich, was sexualisierte Gewalt bedeutet, welche Formen sie annehmen kann und wo Betroffene Hilfe finden. Dabei wurde deutlich, dass Grenzverletzungen nicht erst bei körperlichen Übergriffen beginnen, sondern auch in Sprache, Verhalten und digitalen Räumen stattfinden können.
Es wurden konkrete Hilfs- und Beratungsangebote vorgestellt und betont, wie wichtig es ist, frühzeitig über das Thema zu sprechen, sensibel hinzusehen und Betroffene ernst zu nehmen. Der Workshop trug dazu bei, das Bewusstsein der Lernenden zu stärken und einen offenen, respektvollen Umgang mit dem Thema zu fördern.
Ausstellung in der Pausenhalle – Hinschauen. Verstehen. Helfen.
Begleitend zu den Workshops gestaltete Schulsozialarbeiterin Nicole Schüler in der Pausenhalle eine eindrucksvolle Ausstellung zum Thema sexualisierte Gewalt. Vier Stellwände informierten über die verschiedenen Formen sexualisierter Gewalt, zeigten Hilfs- und Anlaufstellen mit QR-Codes und luden durch Zitate und Reflexionsfragen zum Nachdenken ein.
Im Mittelpunkt stand ein Spiegel, der die Besucherinnen und Besucher dazu anregte, sich selbst als Teil der Schulgemeinschaft zu sehen, die Verantwortung trägt. Die Ausstellung bot Lernenden und Lehrkräften die Möglichkeit, sich auch außerhalb des Unterrichts intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen und ein sichtbares Zeichen gegen sexualisierte Gewalt zu setzen.
Jugendkultureller Kunstworkshop des Kreisjugendbildungswerkes an der Max-Eyth-Schule Dreieich
Vom 10. bis zum 19. November 2025 fand an der Max-Eyth-Schule Dreieich ein besonderer jugendkultureller Kunstworkshop statt, organisiert vom Jugendbildungswerk des Kreises Offenbach. Teilgenommen hat eine InteA-Klasse mit 20 Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren. Das breite sprachliche und kulturelle Spektrum der Klasse – unter anderem aus Afghanistan, Griechenland, Guatemala, Kurdistan, Pakistan, Somalia und Vietnam – verlieh dem Projekt eine besondere Dynamik und Offenheit.
Durchgeführt wurde das Projekt von Frau Vogel und Frau Ehret in Zusammenarbeit mit Frau Möller und Frau Brie und begleitet von der engagierten Fachkraft für Kinder- und Jugendsozialarbeit an Schule, Frau Wegner. Der Workshop war eingebettet in den schulinternen Themenmonat „Schule gegen (sexualisierte) Gewalt“, der im November an der Max-Eyth-Schule traditionell besondere Aufmerksamkeit erhält.
Ziel des fünftägigen Angebots war es, sich kreativ, reflektiert und persönlich mit den Themen Nähe, Distanz und Grenzen auseinanderzusetzen. Die Jugendlichen beschäftigten sich damit, wie Grenzen wahrgenommen, gesetzt und gewahrt werden – sowohl im eigenen Erleben als auch in sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Dabei entstanden vielfältige künstlerische Arbeiten, die persönliche Erfahrungen, Haltungen und Ausdrucksformen sichtbar machen.
Eine erste intensive Aufgabe wartete gleich zu Beginn: Aus einem einzigen Blatt Papier und ohne weitere Hilfsmittel galt es, ein individuelles Kunstwerk zu erschaffen. Diese Übung weitete nicht nur den Kunstbegriff, sondern ermöglichte auch neue Erfahrungsräume – in einigen Arbeiten wurden persönliche und bewegende Lebensgeschichten eindrucksvoll sichtbar, etwa in gefalteten Booten, die individuelle Reiseerfahrungen symbolisierten.
Darauf folgte ein weiterer spannender Einstieg in Form von Porträtarbeiten, die zunächst mit der nichtdominanten Hand und anschließend über das Spiegelbild erstellt wurden. Diese ungewohnte Herangehensweise eröffnete einen neuen Blick auf den eigenen Ausdruck, das eigene Gesicht und die Wirkung von Blicken und Gesten auf andere.
Ein Höhepunkt war die gemeinsame Führung durch die Ausstellung „Face to Face“ im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Interaktive Aufgaben und die intensive Auseinandersetzung mit den gezeigten Werken erweiterten die Perspektiven der Jugendlichen und bereicherten ihren weiteren Arbeitsprozess nachhaltig.
Im Verlauf dieses Projekts entstanden zahlreiche individuelle Kunstwerke. Gemeinsam entschieden die Projektleiterinnen und die Teilnehmenden, die Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen – insbesondere der gesamten Schulgemeinschaft.
Mit dem Kunstprojekt entstand nicht nur Raum für kreative Entfaltung, sondern zugleich ein wertvoller Beitrag zu einer offenen, respektvollen und bewussten Schulkultur im Umgang mit dem Thema Grenzwahrung.
Lehrerfortbildung zum Thema „Ehrgewalt“
Am 25. November 2025, dem Tag gegen Gewalt an Frauen, veranstaltete die Schule eine Lehrerfortbildung mit dem Titel „Gewalt im Namen der Ehre – erkennen, handeln, unterstützen“.
Die Referentin L. der Hilfsorganisation FIM – Frauenrecht ist Menschenrecht informierte über Hintergründe und bewegende Schicksale in ihrer täglichen Arbeit. Die gemeinsame Bearbeitung eines Praxisfalls ließen den Teilnehmerinnen die Schwere der Thematik noch anschaulicher werden.
Insbesondere Aspekte wie Konflikte in Elternhaus über persönliche Freiheiten (z.B. Kleidung, Jungs dürfen gehen, Mädchen nicht), Homosexualität/Diversität, von Eltern beschlossene Verheiratung, sexuelles Empowerment von jungen Frauen und die gleichberechtigte Beziehungsführung wurden an diesem Nachmittag angesprochen und Hilfestellungen im Sinne von Handlungsschritten für Lehrkräfte in Verdachtsfällen gegeben.
„All unsere Aktionen im Rahmen der Themenwochen „Schule gegen sexualisierte Gewalt“ sind auf regen Zuspruch gestoßen und verdeutlichen einmal mehr, wie wichtig es ist, die Problematik sichtbar zu machen und dafür zu sensibilisieren. Und im besten Fall Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, um Betroffenen helfen zu können“, resümiert Vanessa Zofcin-Eichhorn.
